Das Bananenbrot klatscht

Leo Meiers "zwei herren von real madrid" gewann voriges Jahr beim Heidelberger Stückemarkt den Publikumspreis. Die Zweitinszenierung aus Leipzig konzentriert sich jetzt auf die komödiantischen Aspekte des Stücks. Und verpasst dabei fast eine zu Herzen gehende Liebesgeschichte.

Von Falk Schreiber

6. Mai 2023. Wenn man sich überhaupt nicht für Fußball interessiert, dann bietet die Recherche zu Albrecht Schroeders Leipziger Inszenierung von Leo Meiers "zwei herren von real madrid" überraschende Erkenntnisse. Zum Beispiel, dass Wenzel Banneyer, der den Fußballer Sergio Ramos spielt, dem echten Sergio Ramos frappierend ähnlich sieht.

Man erfährt auch, dass Ramos, von 2005 bis 2021 Innenverteidiger bei Real Madrid, bekannt war für ein sehr hartes Spiel, und dass er abseits des Platzes den Ruf eines Cholerikers hatte. Und wenn Banneyer dann seine Figur zwar als über und über tätowiertes Muskelpaket mit, naja, übersichtlichen intellektuellen Fähigkeiten anlegt, das aber plötzlich zu einem unerwartet sensiblen Monolog über das Sterben anhebt, dann freut einen das. Zumindest, wenn man keine Ahnung von diesem Sport hat.

Vor einem Jahr gewann Meier für "zwei herren von real madrid" den Publikumspreis beim Heidelberger Stückemarkt – dieser Text hat die Fähigkeit, Zuschauer:innen abzuholen. Dass er bald darauf (in Oberhausen) uraufgeführt wurde, ist ein erster Hinweis auf sein Hitpotenzial, dass kurz darauf schon die Zweitinszenierung in Leipzig folgte, ein zweiter. Diese Aufführung ist jetzt beim Stückemarkt zu sehen und konkurriert hier um den Nachspielpreis.

Für mich bist du unbezahlbar

Was die Vorlage auf jeden Fall ausmacht: die Freude am Humor, auch an der reinen Klamotte, in der zeitgenössischen Dramatik ist sowas fast ein Alleinstellungsmerkmal. Was sie ebenfalls ausmacht: eine überraschende Zartheit, die sensible Zeichnung einer Liebesgeschichte zwischen zwei Fußballprofis, die am Ende zerbricht, nicht wegen einer intoleranten Umgebung, sondern wegen beruflicher Zwänge. Der Stürmer (Denis Grafe) wechselt nach Paris, der Mittelfeldspieler (Matthis Heinrich) bleibt in Madrid, kurz unterhalten sie sich über Prämien und Ablösesummen, und der Mittelfeldspieler meint zum Abschied, kaum zu hören: "Für mich bist du unbezahlbar." Herzzerreißend. Und eine interessante Fallhöhe gegenüber dem krachledernen Humor, den dieses Stück eben auch feiert.

"zwei herren von real madrid" gewinnt seinen Reiz also aus dem Drahtseilakt zwischen Schenkelklopfer auf der einen Seite, echter Emotion auf der anderen. Wobei Schroeder in seiner Inszenierung einen klaren Fokus auf den Schenkelklopfer legt: Jeder Gag wird bis ins Letzte ausgespielt, das gemeinsame Weihnachtsessen bei den Eltern (Annett Sawallisch, Markus Lerch) des Stürmers entwickelt sich zum Mummenschanz mit personifiziertem Drag-Bananenbrot (Leonard Meschter), die Pressekonferenz im Verein zum Softporno, bei dem die Pressesprecherin (Katharina Schmidt) den Namen des Hauptsponsors orgiastisch in die Close-up-Kamera stöhnt. Klar, kann man machen, steht so ja auch im Stück. Aber etwas geht dabei eben auch verloren.

Zwei Herren 3 c Isabel Machado RiosInnenverteidiger mit sensiblem Kern – Wenzel Banneyer (r.) als Real Madrids Fußballer Sergio Ramos. Foto © Isabel Machado Rios

Die Begeisterung, die dieses Stück beim Publikum entfachen kann, liegt womöglich gar nicht in erster Linie an den Witzen, die Meier im Halbminutentakt raushaut. Sondern darin, dass man hier endlich zwei Fußballern bei einer ganz selbstverständlichen Liebe zusehen darf, einer Liebe, bei der sogar der ultraheterosexuelle Ramos nicht anders kann, als "Meinen Segen habt ihr!" rumzuprollen. Aber wie diese Liebe hier gezeichnet wird, mit all den Unsicherheiten, mit all der Angst, etwas falsch zu machen, das kennt man, und man mag die Figuren, weil sie diese Unsicherheiten selbst durchmachen müssen. Dass das bei Schroeder nur so halb funktioniert, liegt nicht an Grafe und Heinrich – die spielen ihr Liebespaar durchaus anrührend. Aber dann stolpert Meschters Bananenbrot wieder auf High Heels über die Bühne und animiert das Publikum, zu einem stumpfen Elektrobeat (Musik: Chris Schalko) mitzuklatschen – gegen so etwas hat keine zarte Liebe eine Chance.

Dass der Abend trotzdem unterhält, hat womöglich damit zu tun, dass sich das Leipziger Team vollkommen mit der Inszenierung identifiziert. Zu Beginn wird ein Laufband auf Pascal Seibickes Bühne projiziert, man liest die Namen einer Startelf, und diese Startelf besteht aus allen Beteiligten der Produktion, von den Darsteller:innen bis zur Kostümassistenz. Und vielleicht sagt dieses Detail etwas aus über diese Aufführung: dass hier eine Gruppe Menschen bereit ist, alles zu geben für den vierten Champions-League-Titel in Folge beziehungsweise für eine gelungene Komödie. Sie geben alles, das zeugt von Engagement. Aber es sorgt auch dafür, dass man sich für Kritik unempfindlich macht, für den freundlichen Hinweis, dass die Vorlage womöglich noch ein bisschen mehr hergeben könnte als nur eine gut funktionierende Klamotte. Zumindest jemand, der sich überhaupt nicht für Fußball interessiert, könnte das so interpretieren.

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zwei herren von real madrid
von Leo Meier
Regie: Albrecht Schroeder, Bühne und Kostüme: Pascal Seibicke, Musik: Chris Schalko, Dramaturgie: Matthias Döpke, Licht: Thomas Kalz, Ton: Alexander Nemitz
Mit: Wenzel Banneyer, Denis Grafe, Matthis Heinrich, Markus Lerch, Leonard Meschter, Annett Sawallisch, Katharina Schmidt
Premiere am 27. Januar 2023
Dauer: 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

www.schauspiel-leipzig.de

 

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